Rathaus Oberlenningen

Oberlenningen (Bayern) 2023



Sanierung Rathaus Oberlenningen mit Neubau eines Verwaltungsgebäudes

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Städtebauliches Konzept und Entwicklung

Der Neubau des Verwaltungsgebäudes der Gemeinde Lenningen in unmittelbarer Nachbarschaft zum bisherigen Rathaus ermöglicht nicht nur die Schaffung einer modernen Gemeindeverwaltung, die heutige und bereits zukünftige funktionale und energetische Anforderungen erfüllt, sondern auch die städtebauliche Neuordnung und damit die Gestaltung einer klar ablesbaren attraktiven Ortsmitte. Es entsteht ein Zusammenspiel zwischen bestehendem Marktplatz westlich des Rathauses, den nun barrierefrei zugänglichen und aufgewerteten Freiflächen im Norden sowie dem zwischen Bestand und Neubau entstehenden „Rathausbalkon“.
Ein grundlegender Ausgangspunkt für die Entwicklung der Gebäudeform für den Neubau der Gemeindeverwaltung ist sein städtebaulicher Kontext. Giebelständig wie das markante und prägnante Rathaus reihen sich die drei neuen, in Höhe und Entfernung zur Straße gestaffelten Giebel folgerichtig entlang der Amtgasse auf. Der zwischen Bestand und Neubau auf Niveau des Erdgeschosses der beiden Baukörper entstehende Platz ist zugleich wie selbstverständlich auffindbarer auch barrierefreier Zugang zu den beiden Gebäuden als auch optische und tatsächliche Verbindung zu den Freiflächen um St. Martinskirche und Gemeindehaus. Die von der Straße zurückspringenden Fluchten der beiden Hauptgiebel des Neubaus lassen den Blick von Osten auf das Rathaus mit den erdgeschossigen Arkaden frei, die barrierefreie Erschließung folgt auf selbstverständliche Art dem Geländeverlauf.

Nutzungskonzept und Funktion

Die Trennung von Neubau und Bestand ermöglicht zum einen, die Verbindung von der Amtgasse im Süden zu den Freianlagen im Norden dauerhaft offen und zugänglich zu gestalten. Zum anderen lassen sich nun vom neuen „Rathausbalkon“ das neue Verwaltungsgebäude und das ehemalige Rathaus ebenengleich und barrierefrei auf dem jetzigen Niveau des Erdgeschosses des Rathauses erschließen.
Die Trennung der beiden Gebäude ist auch aus funktionalen Gründen eine bewusste Entscheidung die neben den städtebaulichen Überlegungen heraus auch das Nutzungskonzept von Bestand und Neubau bestimmt. Alle Funktionen, welche für den täglichen Betrieb des Rathauses mit allen Verwaltungsangelegenheiten benötigt werden, können im Neubau untergebracht werden, während – nach Erstellung des Neubaus und Umzugs der Gemeindeverwaltung – das zu sanierende, jedoch in Gestalt weitestgehend nicht zu verändernde Rathaus Nutzungen zugeführt wird, die das Gebäude zum „Bürgerhaus der Gemeinde Lenningen“ werden lassen. Somit sind sowohl Fragen des Ablaufes der Baumaßnahme in zwei Bauabschnitten als auch die der unterschiedlichen Öffnungszeiten der beiden Nutzungseinheiten geklärt, der öffentliche Durchgang zu den Freianlagen im Norden ist zeitlich unabhängig über den „Rathausbalkon“ möglich.

 

„Neues Verwaltungsgebäude“ = „Neues Rathaus“

Vom „Rathausbalkon“ betritt man das Foyer des Neubaus, den Empfangsbereich für die Bürger mit dem einladenden Wartebereich und den beiden Besucherräumen für die Besprechung und Bearbeitung der Verwaltungsangelegenheiten. Der neue Sitzungssaal schließt - versehen mit mobiler Trennwand - an das Foyer an, durch den Höhensprung im Saal ist ein ebenerdiger Ausgang zu den Freianlagen im Norden möglich.
Zwischen den beiden Gebäudeteilen des Neubaus befinden sich Treppe und Aufzug, welche die barrierefreie und vom Brandschutz her benötigte Erschließung von der Tiefgarage über das untere Niveau des Sitzungssaales und aller weiteren Ebenen des Verwaltungsgebäudes gewährleisten.
Dieser mittlere Gebäudeteil nimmt neben der Vertikalerschließung zwei regengeschützte Aufenthalts- und Arbeitsbereiche auf, die sogenannten Loggia- Arbeitsplätze.
Die weiteren Nutzungen des neuen Rathauses sind den Wünschen und Vorgaben der Ausloberin entsprechend auf die Gebäudeteile und Ebenen verteilt. Durch das Achsraster von 1,40m ist eine sinnvolle lichte Raumbreiten von 2,70m und größer sowie flexible Einteilung der Büroräume möglich. Die Abweichung des Rasters auf 1,60m in der Flurzone ermöglicht grundsätzlich die Barrierefreiheit aller Nutzungsbereiche, zudem kann dadurch eine flexible Kombizone mit einer Breite von 3,30m geschaffen werden. Die Anordnung der Nebenräume schafft im östlichen Gebäudeteil die Möglichkeit der Erweiterung des Baukörpers nach Norden. Die Nutzung der Dachgeschosse ist der Archivierung, Lagerung und Gebäudetechnik vorbehalten; durch geschickte Setzung von Oberlichtern kann auch die Kombizone in der Gebäudemitte mit Tageslicht belichtet werden.

 

„Altes Rathaus“ = „Neues Bürgerhaus“

Nachdem das neue Verwaltungsgebäude bezogen wurde kann das bis zur Fertigstellung des Neubaus als Rathaus genutzte Gebäude für den Betrieb des Neubaus nahezu ungestört denkmalgerecht saniert und seiner neuen Nutzung als Bürgerhaus zugeführt werden.
Wie das Rathaus ist das Foyer des Erdgeschosses mit der schönen Treppenanlage vom neuen
„Rathausbalkon“ aus ebenengleich zugänglich. Neben dem Foyer sind Bürgerforum und Besucherräume, das Trauzimmer im ehemaligen Sitzungssaal im Obergeschoss sowie - nach statischer Klärung - ein Bürgersaal im Dachgeschoss vorgesehene Nutzungen des alten Rathauses. Alternativ können weitere Bereiche für die kommunale Daseinsvorsorge wie eine Bücherei oder Vereinsräume eingeplant werden. Durch den Einbau eines Plattformliftes und der Ertüchtigung des baulichen Brandschutzes durch u.a. Umbau der Fluchttreppe wird das Bürgerhaus ein vollumfänglich nutzbarer Stadtbaustein.

 

Gestaltung, Materialität, Konstruktion

Der Rathausneubau wird mit einfachen, der Aufgabe und dem umgebenden Kontext angemessenen Materialien umgesetzt. Trotz der Rasterung des Gebäudes im Inneren kann die Gebäudehülle mit einer Lochfassade versehen werden, welche mit großzügigen und fein detaillierten Öffnungen, Holzpaneelen und Leibungen gestaltet wird. Die Fassade selbst wird mit hell geschlemmten Klinkern versehen, die dem Bestandsbau des Rathauses die prägnante Farbigkeit nicht streitig machen und trotzdem der hohen Wertigkeit des Neubaus der Verwaltung der Gemeinde Lenningen Rechnung tragen. Die Dachhaut wird mit Biberschwanzziegeln und gezielt gesetzten Dachflächenfenstern und Photovoltaik- Elementen errichtet. Die Tragstruktur des Gebäudes besteht aus Wänden aus Stahlbeton und Stahlbetonstützen im Raster des Büroausbaus bzw. der Tiefgarage. Die Decken sind mit üblichen Spannweiten als wirtschaftliche Stahlbetonflachdecken geplant. Dies bewirkt eine maximierte lichte Geschosshöhe und unterstützt kollisionsfreie Führung notwendiger Installationselemente. Trennwände werden möglichst als flexible, statisch nichttragende Wände ausgeführt.

 

Energie, Technik, Raumklima

Der Neubau des Verwaltungsgebäudes wird zukunftsorientiert sowohl den Ressourcen schonend im Bau als auch in der späteren Nutzung errichtet, die Einhaltung erhöhter Energiestandards ist bei einem Bauvorhaben dieser Kategorie selbstverständlich. Optimierter Wärmeschutz der Gebäudehülle, sommerlicher Wärmeschutz durch freiliegende Speichermasse, moderate Verglasungsanteile sorgen für geringen Energieeinsatz bei der Klimatisierung der Räume. Sehr gute Tageslichtversorgung der Arbeitsplätze, sparsame Beleuchtungsleistung und Geräteausstattung ergänzen das Konzept ebenso wie die Nutzung der Lüftungspaneele mit Schallschutz zur Nachtauskühlung im Sommer.
Neben der hohen Speicherkapazität des Massivbaus sollen nur passive Maßnahmen zum sommerlichen Wärmeschutz ergriffen werden: außenliegender textiler Sonnenschutz, fassadenweise und strahlungsabhängig gesteuert, natürliche Nachtlüftung über regen- und einbruchsichere Öffnungen in Fassade und Dach. Hinzu kommt die Vortemperierung der Zuluft, Beheizung der Räume über Deckensegel, Nutzung von Betonkernaktivierung.

 

Freianlagen

Die Freianlagen rund um das neue Rat- und Gemeinschaftshaus in Oberlennigen sind ruhig und klar gestaltet. Die Treppenanlage westlich des bestehenden Rathauses wird im Bestand belassen. Im Altbau wird im Innern des Hauses mittels eines Aufzugs eine barrierefreie Erschließung im Haus geschaffen, so dass die Geländeanschlüsse wie im Bestand vorhanden verbleiben können. Lediglich im Osten des Gebäudes wird die bestehende Treppe entfernt und das Gesamtgelände im Anschluss an die Neubauten auf das Erdgeschossniveaus des Bestandshauses angehoben. Es entsteht der Rathausbalkon, der rund um den neuen Gebäudekomplex einen bespielbaren, geschützten und niveaugleichen Außenraum bietet. Rampen und Treppen führen auf das Plateau, das nach Osten hin höhengleich mit dem Bestandsgehweg anschließt.
Zwischen den Neubauten entsteht ein kleiner geheimer Garten als Reminiszenz an klassische Bauerngärten mit klarer Geometrie.
Östlich des alten Rathauses akzentuiert ein großer Bergahorn als neuer Hausbaum den Platz. Ein den Baum umgebendes Sitzbankerl ergänzt das Ensemble.
Zum nördlich angrenzenden Bürgerpark laden Sitzstufen zum Verweilen ein mit Blick auf den Garten und die St. Martinskirche. Zwei schmale Wege binden an den Weg entlang der Kirche an. Rund um diese neuen Wegeverbindungen entsteht ein Obstbaumhain. Streuobst und Naschobst, Spielangebote und Sitzgelegenheiten sowie die Möglichkeit des Arbeitens in Gartenpavillons steigern die Aufenthaltsqualität. Der Bereich zwischen den Wegen wird als Rasenfläche angelegt. Westlich und östlich der Wege entsteht eine wilde Blumenwiese.
Insgesamt wird ein ruhiges und zurückhaltendes Ensemble mit klaren Gesten und liebevollen Details entwickelt, das sich in das Gesamtgefüge und Erscheinungsbild von Oberlenningen einfügt und das schon bestehende und geplante Angebot durch einen neuen Baustein ergänzt.


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